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Blog



Er tauschte Paragraphen gegen Pinsel: Paul Schraders Schritt vom Anwalt zum Künstler  


13.09.2025


Autorin: Leonie Gössel*


(c) Philippe Gerlach

Paul Schrader ist ein deutscher Künstler.
Aufgewachsen in Norddeutschland, studierte er Rechtswissenschaften in Freiburg, promovierte im Kartellrecht und arbeitete sechseinhalb Jahre als Anwalt bei der internationalen Kanzlei Osborne Clarke in Hamburg und London. 2018 entschied er sich, den sicheren und erfüllenden Berufsweg hinter sich zu lassen, um sich ganz der Malerei zu widmen: ein Schritt, den er nie bereut hat. Heute zeigt Paul Schrader seine Arbeiten international von Berlin über New York bis nach Los Angeles. Seine künstlerische Präsenz reicht inzwischen weit über den Ausstellungsraum hinaus: Er kooperierte mit Marken wie Porsche und Hublot, während renommierte Magazine wie AD, Vogue Germany und Harper’s Bazaar über ihn berichten. Auch das Zoo Magazine präsentierte seine Werke, und auf Kunstmessen wie der Volta Art Fair in New York wurden seine großformatigen Leinwände gezeigt.

Leonie: Vielen Dank, lieber Paul, für die Einladung in dein Studio hier in Hamburg. Wenn dich jemand fragt, was du beruflich machst, sagst du dann, dass du Künstler bist, der früher Jurist war, oder Jurist, der heute Kunst macht?

Paul: Ich sage dann eigentlich, dass ich male und Malerei mache, also Künstler bin. Meistens kommt das mit dem Jurastudium erst später im Gespräch. Früher war das anders, aber inzwischen ist das ja auch schon eine Weile her. Ich habe 2018 gekündigt, jetzt ist es 2025, also liegen da schon ein paar Jahre dazwischen. Dass das Thema nochmal aufkommt, passiert eher selten, es sei denn, das Gespräch kommt aus der Jurarichtung. Der Bruch zwischen den beiden Welten war damals sehr extrem und das war natürlich anfangs oft ein Thema. Mittlerweile hat sich das aber gelegt. Für Leute, die meine Geschichte zum ersten Mal hören, ist das natürlich spannend. Für mich ist das mittlerweile so normal, dass es sich fast alltäglich anfühlt. Ich will gar nicht sagen, dass es uninteressant ist, aber es ist eben meine Realität. Ich erinnere mich noch gut: Ich habe mir damals ein Jahr in der Kanzlei genommen, um zu überlegen, ob ich wirklich kündigen soll. Ich hatte sechseinhalb Jahre bei Osborne Clarke in Hamburg gearbeitet, war auch für die Kanzlei in London. Das hat mir wahnsinnig viel Spaß gemacht. Aber ich wollte herausfinden, ob ich bereit bin, diesen sicheren und erfüllenden Beruf aufzugeben, um mich dem zu widmen, was ich all die Jahre nebenbei gemacht habe und was immer größer wurde - die Kunst. Und ja, ich habe die Entscheidung nie bereut. Es war genau richtig, diesen Schritt zu gehen.



Leonie: Gibt es Momente, in denen du den Anwaltsberuf vermisst?

Paul: Ich würde ab und zu gerne bestimmt mal wieder als Anwalt arbeiten. Der Beruf an sich hat mir unfassbar viel Spaß gemacht. Einen Schriftsatz zu schreiben, die Ereignisse chronologisch aufzubereiten und dann eine juristische Würdigung vorzunehmen - das habe ich wirklich gern gemacht. Ich war auch gerne vor Gericht oder unterwegs mit Mandanten. Aber heute fehlt mir dafür schlicht die Zeit. Und der Beruf, den ich jetzt habe, ist eigentlich gar kein richtiger „Beruf“. Ich wache auf und kann malen. Es hat nichts mit einem klassischen Job zu tun. Das fühlt sich an wie ein Kindheitstraum, und das ist schon ziemlich cool.

Leonie: Was bedeutet dir die Freiheit, deinen Alltag der Kunst widmen zu können? 

Paul: Du brauchst ja diese Kunstfreiheit und es ist selten, dass man die wirklich hat. Denn letztlich macht man ja etwas, das unvernünftig wirkt: aufstehen und malen. Das ist etwas, das vielleicht ein Kind macht oder jemand in der Schule aber im normalen Berufsleben verschwindet dieses Spielerische, dieses Freie schnell. Man steckt in Strukturen, kommt abends aus dem Büro, ist erledigt und macht vielleicht noch ein bisschen Freizeitprogramm. Aber dass man sein Leben wirklich dem widmet, was einem Spaß macht, das ist heute total selten.

Leonie: Würdest du sagen, man muss sich diese Freiheit aktiv nehmen - gegen Erwartungen von außen?

Paul
: Ich weiß nicht, ob das früher anders war - wahrscheinlich auch nicht. Aber ja, man muss sich das selbst nehmen. Das gibt einem niemand. Die Gesellschaft sagt einem ja nicht: „Es ist total sinnvoll, wenn du einfach mal nur malst, statt morgens ins Büro zu gehen.“
Das ist eine Entscheidung, die muss man selbst treffen und dann durchziehen.

Leonie: Muss man sich das Künstlerleben finanziell leisten können - oder geht es auch ohne Sicherheit?

Paul: Es gibt eigentlich drei Arten von Menschen, die das machen. Die erste Gruppe stammt oft aus einem sehr gehobenen Umfeld. Da ermöglichen es einem die Eltern oder ein Erbe, dass man kein eigenes Einkommen braucht.
Dann gibt es das zweite Extrem: Menschen, die mit sehr, sehr wenig auskommen. Ich kenne Leute, die sagen: „Mir ist das komplett egal. Ich hab drei ausgeleierte Unterhosen und sonst brauche ich nur Luft und Liebe.“
Und dann gibt es den dritten Weg: Man arbeitet, verdient Geld und nutzt die verbleibende Zeit für die Kunst. Ich glaube, diese drei Wege existieren alle nebeneinander.
  
Leonie: Du hast viele Jahre Jura gemacht, promoviert, Schriftsätze geschrieben. Beeinflusst dich das juristische Denken beim Malen?

Paul: Ganz witzig - ja. Da gibt es tatsächlich Parallelen. Einen Text zu schreiben ist ja auch geistige Arbeit. Du kannst ihn auf tausend Arten schreiben und das Ergebnis, das du transportieren willst, bleibt gleich, aber die Form variiert. Juristen neigen dazu, alles abzusichern und dann wird es oft sehr lang und technisch. Ich mochte es dagegen, an Texte zu feilen: kurze Sätze, prägnant, verständlich. Auch für Leute, die nicht tief in der Materie stecken. Wir hatten mal ein Schreibtraining in der Kanzlei, da sagte jemand: „Ein Text ist wie ein Glas Wasser. Du kannst es durchsichtig machen oder ein Tonbecher sein, bei dem du nicht siehst, was drin ist.“ Das fand ich ein schönes Bild: Der Inhalt bleibt gleich aber wie du ihn verpackst, macht den Unterschied. Natürlich ist das was anderes als Malen aber zwischen Schreiben und Malen gibt es schon eine gewisse Wesensverwandtschaft. Auch zwischen einem gut strukturierten Urteil und einem durchdachten Bild. Beides folgt innerer Logik, auch wenn sie ganz verschieden daherkommt.



Leonie: Was erfordert mehr Mut: ein juristisches Urteil zu formulieren oder eine weiße Leinwand zu füllen?

Paul: Das ist eine super interessante Frage. Ich finde fast: Ein Urteil zu schreiben ist einfacher. Da kannst du dich an einem strukturierten Muster entlanghangeln. Richtig oder falsch, das ist klarer definiert.
Bei einem Bild hast du viel weniger Anhaltspunkte. Es gibt kein objektives Richtig oder Falsch - nur: Funktioniert es für dich oder nicht? Und genau das macht es so schwer. Ein Urteil lässt sich meist leichter argumentieren. Du hast ein klares Argumentationsmuster. Vielleicht ist es für die Verteidigung einfacher als für den Kläger, aber es gibt zumindest feste Bahnen. Bei einem Bild ist das anders. Es ist freier und gerade dadurch komplizierter.

Leonie: Was fühlt sich verletzlicher an - die Korrektur juristischer Klausuren oder die Kritik an deiner Kunst?

Paul
: Nein. Um Gottes willen. Es gibt immer Kritik. Bei mir ist es so: Ich gebe ein Bild erst raus, wenn ich selbst wirklich zufrieden damit bin. Und wenn ich zu einhundert Prozent dahinterstehe, dann ist es völlig in Ordnung, wenn jemand das anders sieht. Wenn jemand sagt: „Das ist nicht mein Fall, mir gefällt das nicht, mich spricht das nicht an“ - dann ist das okay.
Solange ich sagen kann, dass mich das Bild berührt, habe ich alles richtig gemacht. Es ist ja gar nicht das Ziel, dass es jedem gefallen muss. Wenn es mir gefällt, habe ich schon 100% erreicht. Und wenn dann auf einer Ausstellung dieses Gefühl, das ich mit dem Bild verbinde, auf jemanden überspringt, dann ist das ein Riesenkompliment. Das Ziel ist, dass ich mit dem Bild zufrieden bin. Das ist eigentlich das Einzige, was man erreichen kann. Deswegen machen mir Auftragsarbeiten auch nicht so viel Spaß. Weil du da immer falsch liegst, wenn du versuchst, jemand anderen zu überzeugen. Das funktioniert für mich nur, wenn ich mich selbst überzeuge, wenn die Arbeit aus mir selbst heraus entsteht. Und wenn sie dann anderen gefällt: wunderbar. Wenn nicht - auch gut. Ich mag ja auch nicht jede Kunst. Und bei juristischen Klausuren? Klar, auch da gibt es erheblichen Spielraum. Ob jemand deinen Stil mag, ob man den Text gern liest oder nicht, ob er kompliziert geschrieben ist. Aber im Grunde lässt sich sagen: Kommt jemand zu einem vertretbaren Ergebnis oder nicht? Das macht die Bewertung fast einfacher, auch wenn die Punktevergabe dann natürlich trotzdem subjektiv sein kann.

Leonie: Gibt es etwas, das du durch die Kunst gelernt hast - was dir Jura nie beigebracht hat?

Paul: Ich würde es eher andersrum sagen: Das Jurastudium hat mir wahnsinnig viel mitgegeben, auch wenn es mir gar keinen Spaß gemacht hat. Es war trotzdem ein unfassbar gutes Studium.
Ich würde es um Himmels willen nicht nochmal machen - aber es war richtig gut, dass ich es gemacht habe.

Leonie: Würdest du jungen Menschen heute empfehlen, Jura zu studieren? 

Paul: Puh, das weiß ich nicht. Wenn mein eigenes Kind sagen würde: „Ich will Jura studieren“, würde ich wahrscheinlich sagen: „Überleg’s dir nochmal.“ Ich glaube, es ist eines der besten Studiengänge überhaupt, und die Prüfung ist sicher eine der härtesten. Aber es kostet dich halt zehn Jahre. Man muss einfach alles wissen. Alles, was du vom ersten Tag an lernst, kann später prüfungsrelevant sein und das war mir überhaupt nicht klar, als ich mich damals immatrikuliert habe. Ich glaube, das ist den wenigsten so klar. Als ich das im dritten Semester irgendwann gemerkt habe, dachte ich: Ach du Scheiße. Aber man lernt zu lernen und das ist, glaube ich, der eigentliche Punkt. Wir haben das extrem trainiert bekommen. Ich erinnere mich noch, wie ich in der Kanzlei angefangen habe, in der ersten Woche meine erste E-Mail schrieb - und mein Partner hat mich dafür richtig zusammengestaucht. Die Lernkurve war brutal steil. Aber sie war eben da und das hat mich sehr geprägt. Wenn ich heute E-Mails von anderen Leuten lese, denke ich manchmal: Das sieht aus wie Kraut und Rüben, das kann doch nicht wahr sein.


Leonie: Instagram statt White Cube, Freundeskreis statt fester Galerie - war das eine bewusste Entscheidung oder hat sich das einfach so ergeben?

Paul: Das weiß ich gar nicht. Ich verkaufe zum Beispiel gar nichts über die Plattform Instagram. Und heute hat ja eigentlich jeder einen Instagram- Account, das ist nichts Besonderes mehr. Ich glaube, Anselm Kiefer ist vielleicht der Einzige, der keinen nutzt. Oder er hat einen, aber der ist nicht bespielt. Vielleicht passen diese Riesenwerke auch nicht ins Format. Aber sonst: ob Katharina Grosse oder Friedrich Kunath - niemand ist mehr ohne Account unterwegs. Manche machen mehr, manche weniger. Ich poste einfach, worauf ich Lust habe. Das sieht bei mir auch aus wie Kraut und Rüben. Manche denken, das wäre Absicht - aber es ist einfach mein Stil. Und genau das ist ja das Schöne daran. Was bei mir anders ist als im klassischen Galeriebetrieb: Ich arbeite nur projektweise mit Galerien und habe keine feste Vertretung. Das kam ursprünglich daher, dass ich damals noch in der Kanzlei war und gar keine Zeit hatte. Meine erste Galerie war gut. Sie hat verkauft und schöne Ausstellungen gemacht. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich es viel lieber selbst organisiere - oder besser gesagt: mit Freunden. Ein Freund von mir kam aus Berlin zurück. Er hatte dort einen kleinen Club gemacht und meinte: „Wollen wir nicht eine Vernissage mit einer Party verbinden?“ Ich hab gesagt: „Das funktioniert doch nicht. Wir können doch keine Party machen, wenn da Bilder hängen!“ Aber dann haben wir es so gelöst: Um 14 Uhr machten wir die Türen auf, ab 19 Uhr lief die Bar und um 4 Uhr morgens war’s vorbei. Alle waren stockbesoffen, wir hatten DJs, es war eine Riesenparty. Klar: Je betrunkener die Leute wurden, desto weniger Acht gaben sie auf die Bilder. Aber es ist nichts passiert. Es war total schön. Und so ist das eigentlich immer gelaufen. Ich habe meine Sachen fast nie allein organisiert, sondern mit Freunden. Das war nie ein Plan - es hat sich einfach so ergeben. Und ich hatte das Glück, es so machen zu können.

Leonie: Aber deine Reichweite auf Instagram hat dir sicher auch geholfen, oder? 

Paul: Ich weiß noch, ich war total erstaunt, als ich plötzlich über 1000 Follower hatte. Das war wirklich sehr überschaubar und ist dann alles ganz organisch gewachsen. Dann kam mal ein Artikel in der Welt am Sonntag, dann gab’s... ich weiß gar nicht mehr alles. Ich wollte das eigentlich mal zusammenfassen - welche Zeitungen, welche Artikel es so gab. Es war immer wie so ein kleiner Meilenstein: Du hast eine Ausstellung, dann kommt darüber ein Artikel, dann wächst wieder ein bisschen Reichweite und irgendwann kamen dann Ausstellungen in Miami oder in New York bei der Volta Art Fair. Und dann wieder ein Artikel. Und dann hat das Zoo Magazine ein Cover gemacht. Also es ist alles sehr organisch entstanden aber auch auf eine schöne Art. Es war ein Weg, der sich so ergeben hat. Und ich sage immer: Bei Galerien und Künstlerinnen oder Künstlern ist es eigentlich wie in einer Liebesbeziehung. Man muss ziemlich gut zueinander passen weil man so eng zusammenarbeitet. Die eigenen Bilder hängen dann neben anderen. Die Philosophie muss irgendwie stimmen. Und das ist gar nicht so einfach. Wenn man den oder die Richtige findet und es klickt, dann ist es super. Aber sonst ist man, glaube ich, lieber Single.

Leonie: Wenn du deine Bilder online zeigst - hast du manchmal das Gefühl, ein Stück Kontrolle abzugeben? Gerade als Urheber deiner Werke? Was einmal im Netz ist, bleibt ja im Netz. Screenshots, Bearbeitungen.

Paul: Als ich Caro Daur kennengelernt habe, war sie auf einer Ausstellung von mir und hat dort Fotos gemacht. Ich habe dann ein Bild von ihr gemacht und gefragt: „Darf ich das hochladen?“ Und sie meinte: „Na klar!“
Wenn Bilder geteilt werden, ist das grundsätzlich gut. Also wirklich: gut. Ein Foto vom Bild ist ja auch immer nur ein Abklatsch - da fehlt die Seele. Das Original hat eine andere Tiefe. Das, was du auf Instagram siehst, ist vielleicht ein kleiner Sparkel, ein Funke, mehr nicht. Und genau deshalb sind Ausstellungen so schön. Ich habe auch keinen Online-Shop, über den man einfach ein Bild kaufen kann. Wer Interesse hat, muss schon hierherkommen, mir eine E-Mail schreiben, einen Termin machen oder eben auf eine Ausstellung gehen. Man muss die Bilder wirklich in echt sehen. Du hast ja selbst die Formate gesehen: drei Meter mal zwei Meter. Das hört sich vielleicht groß an, aber wenn du davorstehst, merkst du: Das ist riesig. Manche Bilder passen nicht mal durch eine normale Tür. Und das lässt sich online einfach nicht vermitteln.

Leonie: Ich habe neulich in einem Kunst-und-Recht-Magazin über die Teilnahmebedingungen der Art Basel gelesen. Dort entscheidet ein Komitee aus Galerien, die selbst ausstellen, darüber, welche weiteren Galerien zugelassen werden. Als eine Galerie plötzlich ausgeschlossen wurde, kam die Frage auf, ob das nicht ein Missbrauch marktbeherrschender Strukturen sein könnte. Wie siehst du solche Machtkonzentrationen im Kunstmarkt? Wirkt das auf dich eher wie legitime Qualitätskontrolle oder wie ein kartellrechtlich fragwürdiger Ausschlussmechanismus?

Paul: Sehr spannend. In Kartellrecht habe ich promoviert. Ich habe über sogenannte Essential Facilities promoviert - also wesentliche Infrastrukturen wie Strom- oder Zugnetze. Die kannst du ja nicht einfach verdoppeln. Du brauchst als Anbieter Zugang zu einer bestehenden Infrastruktur, z.B. zum Stromnetz, damit dein Strom auch wirklich bis in jedes Haus kommt. Das kann nicht jeder selbst legen - das wäre nicht wirtschaftlich. Deshalb gibt es da gesetzlich geregelte Zugangsrechte. Die Bundesnetzagentur reguliert das. Und jetzt ist die Frage: Hat die Art Basel eine marktbeherrschende Stellung? Wahrscheinlich schon - wobei es natürlich viele andere Messen gibt. Aber die Art Basel ist schon etwas Besonderes. Manche Galerien machen dort ihren halben Jahresumsatz - andere machen gar keinen, sondern sehen es rein als Marketing. Das sagt nur keiner laut - aber ich weiß von großen Galerien, die dort nichts verkaufen. Trotzdem gilt: „Wir sind bei der Art Basel“, das hat Strahlkraft. Also ja, sie hat sicher eine Sonderstellung. Du kannst natürlich nicht jeden zulassen. Es gibt räumliche Grenzen - sagen wir, es gibt Platz für 300 Galerien. Dann können eben nur 300 teilnehmen. Ich finde es trotzdem kritisch, jetzt ganz ohne rechtliche Bewertung, nur vom Bauchgefühl: Dass Aussteller über andere Aussteller entscheiden, wirkt auf mich nicht ganz sauber. Das ist so, als würde sich Trump selbst begnadigen. Es fehlt einfach eine neutrale Instanz. Im Kommunalrecht gibt’s ja auch diese Marktlogik mit dem Prinzip „bekannt und bewährt“. Das war in Baden- Württemberg immer ein Thema: Die Marktstände kriegen immer dieselben. Neue haben kaum eine Chance. Wie soll man denn bekannt und bewährt sein, wenn man neu ist?

Leonie: Gibt es jemanden, den du als Vorbild bezeichnen würdest?

Paul
: Nicht direkt. Es gibt viele Leute, die ich toll finde, aber ich bin ganz froh, dass ich meinen Weg so mache, wie ich ihn mache. Friedrich Kunath finde ich super. Er wird gerade von der Pace Galerie vertreten. Oder Katharina Grosse ist auch großartig. Ich saß mal mit Jeff Koons in New York zusammen, bei einem Interview mit Philipp Westermeyer. Wir waren zu viert: Ich, Dirk Staudinger, Jeff Koons und Philipp. Das war schon cool. Einfach an einem Tisch, ganz normal, in einem Raum wie hier. Und dann erzählt er Dinge, die mir total aus der Seele sprechen. Zum Beispiel: Sein größtes Glück ist ein Tag im Studio ohne Termine. Wenn einfach Licht hereinfällt, das pinke Metall schimmert - solche Momente. Und der Typ saß da in Nike-Jogginghose, Jeans, Hemd. Ganz normal. Dieses „Fan- Ding“, diese Vorbildnummer, das habe ich eigentlich nicht. Ein Freund von mir spielt Fußball bei Dortmund - der hat damit zu kämpfen. Wenn Leute einen auf ein Podest heben, entmenschlicht das. Man wird irgendwie irre davon. Deshalb finde ich es so wichtig, auf Menschen normal zuzugehen – ohne dieses irre Fanverhalten. Aber klar: Wenn Denzel Washington plötzlich vor mir stünde, würde ich auch sagen: „Cool!“

Leonie: Wenn du dich entscheiden müsstest: Sprache oder Farbe: welches Medium würdest du wählen?

Paul: Wenn ich nicht mehr sprechen könnte? Nee, sprechen ist schon wichtig. Dann würde ich sprechen. Ja - definitiv sprechen.

Leonie: Dann bleibt mir nur noch zu sagen: Danke, Paul, für das ehrliche, kluge und sehr persönliche Gespräch!


 

*Leonie Gössel ist Studentin der Rechtswissenschaften an der Universität Potsdam und Mitglied der Berlin Art Law Society e.V.

Das Interview fand am 04. Juni 2025 in Paul Schraders Studio in Hamburg statt.





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