Berlin Art Law Society


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Wiederverkaufsklauseln nach deutschem Recht 


14.08.2024

Autor: Konstantin Berlage


Der Kunstmarkt hat in den letzten 30 Jahren ein unglaubliches Wachstum verzeichnet. Im Jahr 2023 machte sein Wert 65 Milliarden USD aus. Spätestens seit den 2000ern hat er das Interesse der Finanzwelt, von Vermögensberatungsfirmen, Investoren, Fonds und Spekulanten auf sich gezogen. Letztere legen ein bestimmtes Verhalten an den Tag, welches als „flipping“ bezeichnet wird.

Was bedeutet das? Ein Kunstwerk wird zu einem niedrigen Preis gekauft und schon kurz danach mit einem saftigen Aufpreis weiterveräußert. So lockt der schnelle Gewinn, Austern und Champagner in Basel, Paris und Miami inklusive. Die Preisunterschiede zwischen dem Primärmarkt (also dem Erstverkauf eines neuen Werks - entweder direkt vom Künstler oder über seine Galerie) und dem Sekundärmarkt (jeder nachfolgende Wiederverkauf) können erheblich sein. Solche Sammler werden daher als „specullectors“ bezeichnet.

Diese Praxis wird vom traditionellen Kunstmarkt aber ungern gesehen, weshalb sich mittlerweile sogenannte „no flip“-Klauseln etabliert haben, deren rechtlicher Bewertung sich dieser Artikel widmet.



Was sind "no flip clauses"?



“No flip clauses" sind Vertragsklauseln, die den Weiterverkauf eines Kunstwerks für einen bestimmten Zeitraum nach dem Erwerb einschränken oder verbieten. Im deutschen Recht kennt man sie unter der Bezeichnung „Halte-“ oder „Weiterverkaufsklauseln“. Diese Klauseln sollen die Preisstabilität einer Künstlerin fördern und verhindern, dass Kunstwerke rein spekulativ gehandelt werden. Gerade gehypte Künstler geraten in die Gefahr, zu schnell zu beliebt zu werden, sodass sich eine Blase bildet. Platzt diese, stürzt das Preisniveau des Künstlers zusammen – mit fatalen Folgen. Die Karriere eines aufstrebenden Künstlers kann auf diese Art so schnell zunichte gemacht werden, wie sie begonnen hat. Galerien wie Künstler haben also das Bedürfnis, Spekulation zu verhindern und eine langfristige Karriere behutsam zu planen. Dieses Ziel lässt sich (unter anderem) durch die „Platzierung“ der Werke in bedeutenden Sammlungen und prestigeträchtigen Institutionen erreichen.



Wie können sie ausgestaltet sein? 


Die Gestaltungsmöglichkeiten für eine „no flip clause“ sind vielseitig: ihr Ziel können diese Klauseln beispielsweise dadurch erreichen, dass innerhalb von einem Zeitraum nach dem Verkauf eines Werkes

  1. der Weiterverkauf gänzlich verboten wird, 
  2. der Weiterverkauf nur durch die verkaufende Galerie als Vermittlerin mit Provisionsanspruch erfolgen darf (ob als Kommissionärin oder Agentin), oder 
  3. dieser ein Vorkaufsrecht zukommen soll (vgl. §§ 456 ff. BGB).

Besonders weitreichende Gestaltungen verpflichten den Käufer sogar, vergleichbare Regelungen auch mit Folgekäufern zu treffen.

Bei einem Verstoß gegen die Weiterverkaufsklausel stehen der Galerie die Sekundärrechte nach §§ 280 ff. BGB zu. Sinnvoll ist es auch, zu einer Vertragsstrafenregelung nach §§ 339 ff. BGB zu greifen, die als Pauschalschadensersatz fungiert. 

Gerichtliche Streitigkeiten zu diesem Thema sind rar, können sie doch gerade im hochpreisigen Segment zu großer Medienaufmerksamkeit führen. Der Kunstmarkt schätzt traditionellerweise dessen Diskretion (und Undurchsichtigkeit). Manche Beteiligte dürften ein ausgesprochenes Interesse daran haben, dass möglichst wenig über die Praktiken der Galerien und Kunstberatenden oder über Identität und Vermögen der Privatpersonen publik wird.

Im US-amerikanischen und im britischen Recht wird die Wirksamkeit von Weiterverkaufsklauseln öfter diskutiert. Dies verwundert auch nicht, bedenkt man die Bedeutung dieser beiden Staaten für den globalen Kunstmarkt: sie machen zusammen nach dem UBS Art Basel Market Report 2024 ca. 60 % des weltweiten Marktes aus. Auf diesen Märkten sind Weiterverkaufsklauseln mittlerweile die Norm. Auch, wenn Deutschland auf dem weltweiten Kunstmarkt keine so große Rolle spielt, lohnt es sich, einen Blick auf ihre Wirksamkeit auch nach unserem Recht zu beurteilen.



Wirksamkeit nach deutschem Recht



1.     Vertragsfreiheit und ihre Grenzen:


Im Ausgangspunkt gilt die Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, § 311 BGB). Den Parteien eines Vertrages ist es grundsätzlich freigestellt, ihre Angelegenheiten durch Rechtsgeschäft im Wege der Einigung (§§ 145 ff. BGB) zu regeln, wie es ihnen beliebt. Bei einem Gleichgewicht der Parteien kann man davon ausgehen, dass das Verhandlungsergebnis für beide Seiten zufriedenstellend ist und daher – von Gesetzesverstößen abgesehen (§ 134 BGB) – keiner Kontrolle bedarf. 



2.     Sittenwidrigkeit, Wettbewerbsverbot


Ungleichgewichtslagen sind aber natürlich eher die Regel, weshalb gewisse Inhaltskontrollen doch stattfinden müssen. Daher dürfen Verträge vor allem nicht sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) ausgestaltet sein. Sittenwidrigkeit ist nach der klassisch hilfreichen Formel der Rechtsprechung der Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Dahinter versteckt sich in der Regel eine umfassende Abwägung der Interessen der Parteien und der Umstände des Vertragsschlusses. Hier werden auch sogenannte Knebelverträge verortet, also Verträge mit hoher Laufzeit, die dem Schuldner den Handlungsspielraum weitgehend nehmen.

Weiterverkaufsklauseln werden auf dem Kunstmarkt in der Regel für den Zeitraum von 3 – 5 Jahren abgeschlossen. Damit ist die Grenze zu einem Knebelvertrag noch nicht überschritten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dieser Zeitraum in Bezug auf ein einzelnes Kunstwerk für den Käufer zu so einer Belastung führen sollte, dass von Sittenwidrigkeit ausgegangen werden kann. Schließlich ist der Käufer schwerlich von dem Kauf des spezifischen Werkes abhängig. Dies gilt umso mehr, wenn ein Vorkaufsrecht der Galerie vereinbart wurde.



3.     Angemessenheit nach § 307 BGB


In Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wird die Angemessenheitskontrolle durch die §§ 307 ff. BGB noch einmal verschärft. Auch im unternehmerischen Verkehr sind gemäß § 310 Abs. 1 BGB diese Bestimmungen anwendbar. Oft handelt es sich bei den Käufern aber auch um Verbraucher (vgl. § 13 BGB). Ein britisches Gericht hat dies sogar für erfahrene Sammler mit beträchtlichem Vermögen entschieden. 

Bestimmungen in AGB sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist oder, wenn eine Bestimmung

  1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
  2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

In zwei Entscheidungen aus den frühen 80er-Jahren zu dem Verkauf von Luxusautos entschied der BGH, dass Weiterverkaufsklauseln in AGB dem Leitbild des auf unbeschränkte Rechtsverschaffung gerichteten Kaufvertrages widersprechen. Der Käufer erhält Eigentum und Besitz an der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 Satz 1, 929 Satz 1 BGB) und kann dann als Eigentümer mit der Sache verfahren, wie er möchte (§ 903 BGB). Dazu gehört auch der Weiterverkauf. Weiterverkaufsklauseln sind aber dann nicht zu beanstanden, wenn sie durch überwiegende berechtigte Interessen des Verwenders ausnahmsweise gerechtfertigt sind. Im Übrigen darf die Weiterverkaufsklausel in ihrer konkreten Ausgestaltung und Dauer den Käufer nicht zu stark benachteiligen. Festhalten kann man für die Wirksamkeit also folgende Leitplanken:

  1. Je kürzer die Bindung des Käufers, desto wahrscheinlicher ist die Klausel wirksam.
  2. Pauschale Verkaufsverbote sind unzulässig.
  3. Eine Vertragsstrafenregelung darf nicht unangemessen hoch sein.
  4. Preisregelungen dürfen nicht pauschal zulasten des Käufers gehen.
  5. Mit einem Vorkaufsrecht fährt man sicherer als mit einem Verkaufsverbot.


Fazit


Wie so oft kommt es bei der Frage der Wirksamkeit einer Klausel (gerade nach AGB-Recht) auf die genaue Formulierung und den Rest des Vertrages an. Kunstmarktteilnehmer, die sich an die obigen Leitplanken halten, könnten einer gerichtlichen Streitigkeit aber wohl entspannter entgegensehen. 

Welche Bedeutung solche Klauseln entfalten und welche anderen Praktiken von Kunstmarktteilnehmern sich im Hinblick auf die Struktur des Kunstmarktes entwickeln, ist noch nicht absehbar. So wurde bereits darauf hingewiesen, dass weitverbreitete Weiterverkaufsklauseln sowie die generelle Verkaufspolitik einiger Galerien, nur an „loyale“ Kunden zu verkaufen, kartellrechtswidrig sein könnte.





In Zukunft erwarten euch weitere kurze Artikel zu aktuellen und dauerbrennenden Kunstrechtsthemen. Stay tuned!